Ziel: aktuellen Arbeitsstand für alle veranschaulichen
Burn-Down-Charts dienen der kontinuierlichen Visualisierung und Kontrolle des Arbeitsfortschritts im Projekt. Am einfachsten lässt sich der Nutzen dieser Diagramme an einem konkreten Beispiel verdeutlichen:
Im Beispiel geht es um ein Projekt, bei dem am Anfang der gesamte Aufwand auf 80 Personentage geschätzt wurde. In diesem Fall würde das zugehörige Burn-Down-Chart bei 80 PT starten, wie es auch in der obigen Abbildung dargestellt ist.
In der Abbildung sind zur besseren Verständlichkeit die Arbeitspakete eingezeichnet, die jeweils an einem Tag abgeschlossen werden. In der Praxis sind diese nicht Teil der Darstellung eines Burn-Down-Charts.
Das Prinzip eines Burn-Down-Charts ist einfach: Jedes Mal, wenn ein Arbeitspaket abgeschlossen ist, wird der geplante Aufwand dafür im Chart von dem Gesamtaufwand in Abzug gebracht. Die Kurve kommt bei 0 an, sobald alle Arbeitspakete erledigt sind. Es findet also ein Burn-Down (zu Deutsch: Herunterbrennen) des Aufwandbergs statt.
Beispiel: Das Prozedere mit und rund um ein Burn-Down-Chart könnte wie folgt aussehen: Am ersten Projekttag gehen Teammitglieder zum Task Board und nehmen sich Arbeitspakete, d. h., sie hängen die entsprechenden Karten nach „In Work“. Am dritten Projekttag ist ein Teammitglied mit einem Arbeitspaket, für das ein Aufwand von 2 Tagen geschätzt war, fertig. Es hängt die entsprechende Karte auf dem Task Board nach „Done“. Dies wird nun ins Diagramm übertragen und die rote Kurve fällt von 80 auf 78 Personentage (PT). Am vierten Tag ist ein anderer mit einem Arbeitspaket fertig, für das 6 PT geschätzt waren. Die Kurve des verbleibenden Aufwands fällt auf 72 PT. Wenn die gesamte Projektdauer 21 Tage umfasst, müsste die Kurve idealerweise nach dieser Zeit bei 0 PT ankommen.
Zusätzlich kann man in das Diagramm den idealen Burn-Down einzeichnen. Dies wäre im Beispiel dann eine Gerade, die ebenfalls bei 0 Projekttagen und 80 PT beginnt und bei geplanter Fertigstellung (im Diagramm unten bei 21 Projekttagen) die 0 PT erreicht. Die Abweichung zwischen der idealen Gerade und dem tatsächlichen Verlauf gibt dann den Vorsprung oder (wie in unserem Beispiel) den Verzug zum Plan an.
Das Diagramm von Hand zu zeichnen, wäre natürlich eine relativ umständliche Aufgabe. Daher erzeugen viele Software-Werkzeuge zum Agilen Projektmanagement, die Task Boards verwalten, solche Burn-Down-Diagramme automatisch orientiert am Fortschritt im Task Board. Der Projektmanager behält damit tagesgenau den Überblick über den Projektfortschritt, vorausgesetzt, die Teammitglieder nutzen das Task Board auch wirklich.
Teilnehmer meiner Seminare fragen mich hin und wieder, weshalb statt des geplanten nicht der tatsächliche Aufwand in das Diagramm eingetragen wird. So könnte man z. B., wenn ein Entwickler 4 Tage für eine Aufgabe gebraucht hat, die an sich nur mit 3 Tagen geplant war, ja auch 4 Tage in dem Diagramm berücksichtigen. Genauer betrachtet wäre dies allerdings ziemlich unergiebig, denn insgesamt würde man dann nur die tatsächlich gearbeiteten Tage erfassen. Die tatsächlich gearbeiteten Tage entsprechen wiederum – sofern niemand im Team ausgefallen ist – einfach dem idealen Burn-Down. Das Diagramm hätte dann keine Aussagekraft mehr. Die Kurve würde immer an der idealen Burn-Down-Linie bleiben, auch wenn das Projekt in Verzug gerät.
Im klassischen Projektumfeld werden manchmal Earned-Value-Diagramme eingesetzt. Ein Burn-Down-Diagramm ist im Grunde die Vereinfachung eines Earned-Value-Diagrammes. Neben den erledigten Aufgaben, die sich positiv von „0“ ansteigend in einem Earned-Value-Diagramm wiederfinden, werden dort auch die laufenden Kosten eingetragen. Dabei werden die Kosten und die erledigten Aufgaben auf die gleiche Einheit gebracht, so z. B. auf Euro oder Personentage.
Natürlich lässt sich die Earned-Value-Methode am einfachsten in Projekten einsetzen, bei denen es eine automatische Kontierung auf die Projektkosten gibt. Dann kann man die Kostenkurve direkt aus einem anderen Tool importieren und muss sie nicht von Hand erstellen. Der Einsatz solcher Kontierungssysteme ist vor allem in technischen Projekten recht verbreitet.
Burn-Down-Diagramme sind ein wichtiges Element im Agilen Projektmanagement. Sie helfen dabei, Terminprobleme rechtzeitig zu erkennen und bei Schwierigkeiten gegebenenfalls den Umfang zu reduzieren. So gesehen bietet das Burn-Down-Diagramm eine „Umfangtrendanalyse“ (als Pendant zur klassischen Meilensteintrendanalyse), die es erlaubt, den terminlichen Verzug eines Projektes zu verfolgen.
Die Aussagekraft eines Burn-Down-Charts hängt eng mit der Größe der geschätzten Tasks zusammen. Eine klare Stärke der agilen Vorgehensweise liegt in dem feingranularen Herunterbrechen und Schätzen von Tasks. Entsprechend darauf abgestimmt sind die Burn-Down-Charts. Man sollte sich davor hüten, sie mit den relativ großen Arbeitspaketen und Teilaufwandsschätzungen zu kombinieren, die im klassischen Projektumfeld häufig eingesetzt werden.
Solche Teilaufwandsschätzungen funktionieren meist so, dass der Projektleiter die Entwickler nach dem Fertigstellungsgrad für ein relativ großes Arbeitspaket (so z. B. 15 Personentage) fragt. Stellt man einem Entwickler die Frage, wie weit er mit seiner Aufgabe ist, so bekommt man häufig die Information, dass eine Aufgabe zu einem Grad zwischen 70 und 90 % erledigt ist. Insgesamt ergibt sich dann als Bild, dass das Projekt schon recht weit ist. Meist dauert es jedoch ziemlich lange, bis daraus dann tatsächlich irgendwann endlich 100 % werden. Diesem Phänomen liegt das umgekehrte Pareto-Prinzip zugrunde. Der Entwickler geht davon aus, dass bereits 80 % (statt tatsächlich 20 %) der Gesamtzeit vergangen sind, nur weil bereits 80 % des Aufwands erledigt ist. Trägt man solche Teilerfüllungsgrade in ein Burn-Down-Diagramm ein, verliert es seine Aussagekraft, weil dann der abgearbeitete Aufwand nicht mehr realistisch dargestellt ist.
Der Bezug zum klassischen Earned-Value-Diagramm zeigt, dass sich Burn-Down-Diagramme auch im klassischen Projektumfeld einfach adaptieren lassen. Es gilt aber zu beachten, dass die ursprüngliche Funktion eine andere ist. Während Earned-Value-Diagramme der Kostenkontrolle des Projektleiters dienen, sind Burn-Down-Diagramme ein Instrument, um den Arbeitsfortschritt zu verfolgen. Typischerweise wird der Burn-Down über den Zeitraum einer Iteration verfolgt. Jede Iteration hat dann also ihr eigenes Burn-Down-Diagramm. Wenn in einem klassischen Umfeld mehrere Iterationen gemeinsam eine Produktversion geben, kann dieser Zeitraum ebenfalls in einem einzigen „Release“-Burn-Down-Diagramm abgebildet werden.