Ziel: Realistische Aufwandsschätzungen
Eine wichtige Basis für das Agile Projektmanagement bilden realitätsnahe Aufwandsschätzungen. Denn darauf stützt sich die Planung des Umfangs für die einzelnen Iterationen. Nur wenn man zu den Lieferterminen Inkremente präsentieren kann, die nahe am vorhergesagten Umfang liegen, kann sich der agile Prozess auf Dauer bei allen Beteiligten etablieren.
Planning Poker ist ein Verfahren, das möglichst realitätsnahe Aufwandsschätzungen zum Ziel hat. Die Vorgehensweise dazu basiert auf der im Projektmanagement seit Langem bekannten Delphi-Methode, bei der der Schätzwert durch wiederholte Schätzungen sukzessiv verbessert wird. Planning Poker unterscheidet sich davon durch die dynamische Vorgehensweise und die Orientierung am Team, was zu einem sehr effizienten Verfahren führt, um Aufwände realitätsnah zu schätzen.
Planning Poker läuft wie folgt ab: Zunächst wird ein sogenanntes Schätzteam zusammengestellt, das die Aufgaben mittels vorgegebener Karten einschätzt. Dieses Team besteht idealerweise aus denjenigen Personen, die Expertise in den zu schätzenden Aufgaben haben und später auch das Produkt entwickeln.
Zum Schätzen werden Karten verwendet, wie sie in der Abbildung zu sehen sind. Sie sind bei diversen Anbietern für wenig Geld erhältlich und es gibt auch zahlreiche kostenlose Apps, die die Karten auf dem Smartphone anzeigen. Im Detail können die Kartensets abweichen, aber das wesentliche Schema ist immer gleich.
Während einer Schätzrunde wählt jeder Teilnehmer eine nach seiner Sicht für die Schätzung passende Karte aus und hält sie hoch.
Die Zahlenfolge, die etwas ungewöhnlich scheint, ist an die sog. Fibonacci-Reihe angelehnt, bei der jede Zahl aus der Summe der beiden Vorgänger gebildet wird. Mit der Größe der Zahlen nimmt dann auch der Abstand zwischen ihnen zu. Planning Poker bedient sich dieses Prinzips, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Schätzungen immer ungenauer werden, je länger der Schätzzeitraum ist. Ob eine Aufgabe 2 oder 3 Tage dauert, kann man noch recht gut abschätzen. Ob eine Aufgabe aber 12 oder 13 Tage dauert, ist bei einer schnellen Schätzung nicht mehr seriös zu entscheiden.
Die typischen Einheiten für die Schätzung sind die altbekannten „Personentage“ oder die im Agilen Projektmanagement verwendeten Story Points. Wenn der Aufwand für Tasks abgeschätzt wird, arbeitet man gemeinhin mit Personentagen, bei der Abschätzung von User Stories üblicherweise mit Story Points.
Der typische Ablauf einer Planning-Poker-Sitzung:
Wichtig ist eine gute Moderation bei der Abfrage der höchsten und niedrigsten Schätzwerte. Es geht darum, dass die entsprechenden Teilnehmer ihre Intention bzw. die Gründe für ihre Schätzung erläutern. Sollte es zu kurzen Diskussionen kommen, sollten sie unbedingt konstruktiv bleiben. Fallen abwertende Bemerkungen, so kann schnell eine Atmosphäre entstehen, in der nur noch „politische“ Schätzungen abgegeben werden.
Ein korrekt durchgeführtes Planning Poker, bei dem die richtigen Teilnehmer partizipieren, erzielt zwei wesentliche Ergebnisse:
Planning Poker steht damit in deutlichem Gegensatz zu einem Verfahren, das häufig im klassischen Projektumfeld eingesetzt wird, nämlich der Schätzung durch einzelne Experten und dem anschließenden Hinzurechnen von Pufferzeiten.
„Bei uns gibt es in vielen Bereichen Experten, die praktisch als einzige beurteilen können, wie viel Aufwand in bestimmten Aufgaben steckt.“ Diese Aussage ist häufig so oder so ähnlich zu hören, wenn es um die Einführung von Planning Poker im klassischen Umfeld geht. In manchen Fällen trifft dieses Argument sicher zu. Generell jedoch nicht. Es lohnt sich daher auszuloten, welche Aufgaben wirklich nur von einem einzelnen Experten geschätzt und erledigt werden können, und wo es Möglichkeiten zur gemeinsamen Schätzung und selbstorganisierten Bearbeitung von Aufgaben gibt. Manchmal kann der Blick über den Tellerrand oder eine andere Perspektive auf eine Aufgabe durch jemanden im Schätzteam, der kein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet ist, ganz hilfreich sein.
Dadurch kann es zu wertvollen Diskussionen kommen. Und manchmal werden erhellende Zusammenhänge gerade dadurch aufgedeckt, dass verschiedene Kompetenzen zusammenkommen.
Planning Poker kann im klassischen Umfeld auch noch zu einem ganz anderen Zweck eingesetzt werden, und zwar, wenn es um die Schätzung von Aufgaben geht, die an Dritte herausgegeben werden. So kann ein Fachbereich in einer kleinen Gruppe abschätzen, welche Aufwände eine bestimmte Aufgabe beinhaltet, mit der z. B. ein Zulieferer beauftragt werden soll. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse stärken die Position bei Verhandlungen mit dem Externen.